Frauengeschichten

Spuren der Liebe

Sie und er
Sie und er

  Geschichte 1

 

 

Wünsche sind nie klug. Das ist sogar das beste an ihnen.
Charles Dickens

 

 

Ich höre gern den Frauen zu, die ihre Lebensgeschichten erzählen. Ich bin eine passionierte Sammlerin von solchen Stories.

In einem meiner Kurse habe ich eine ältere Frau aus Polen kennen gelernt. Sie ist seit 8 Jahren in unserer Stadt. Zu Hause ist sie schon seit langem Rentnerin (die gehen dort mit 55 in die Rente). Aber hier muss sie bis 65 schaffen, ehe sie vom Arbeitsamt in Ruhe gelassen wird. Also braucht sie Sprachkenntnisse, um zu ihrem Traumjob zu kommen: sie ist gelernte Krankenschwester, will aber Altenpflegerin sein. Sie ist fleißig und begabt, sie eignet sich die Sprache schneller als die Jungen an. Ich mag sie auf Anhieb, und so werden wir Freundinnen. Ihr Schicksal macht mich betroffen. Bevor sie sich nach Deutschland eingeheiratet hatte, war sie fast 15 Jahre Verkäuferin auf dem Polenmarkt an der Grenze. Ihr Geschäft lief gut, sie hatte auch Geld zusammengespart. Dieses Geld ging allerdings für die ärztliche Rechnungen drauf, als ihr einziger Sohn einen Autounfall hatte und fast ein Jahr in Komma auf der Intensivstation verbrachte. Sie hat ihn wieder ins Leben geholt, ging selbst aber pleite. Die Geschäfte liefen schlecht, sie hatte sich verschuldet. Aber der Sohn lebt, hat eine Firma in unserer Stadt, hat auch seine Familie. Er ist ein vielbeschäftigter Mann. Seit diesem Vorfall hat sie zwei Herzinfarkte überstanden. Sie ist verheiratet, lebt aber in eigener Wohnung. Der Mann war wohl ein Fehltritt von ihr. Sie will auch sein Geld nicht, nur das Alleinsein ist unerwartet gefährlich geworden - wegen der Herzinfarkte. Beim letzten Infarkt hat sie sich noch rechtzeitig ins Krankenhaus gefahren. (!) Ich lernte später auch den Mann kennen. Ein Gentleman durch und durch, hilft mir in den Mantel, will mich mit dem Auto nach Hause bringen. Aber nein, danke, ich habe nicht weit. Ich verstehe nicht, warum sie ihn nicht haben will. Sie erzählt mir, wie sie ihn geheiratet hatte. Sie hatte eine gute Freundin, die an Krebs erkrankt war. Bevor sie starb, bat sie sie, ihren Mann nicht alleine zu lassen. Er wäre der beste Mann, den frau kriegen kann. So lieb, so fürsorglich und so gesellig. Also trat sie dieses Erbe an, kam nach Deutschland, versuchte einen Job zu kriegen und stellte fest, dass die Geselligkeit des Ehegatten für sie nicht erträglich ist: er trank über den Durst, jeden Abend, mit seinen Kumpels in der gemeinsamen Wohnung.

Übrigens, sie bekam eine Stelle im Westen als Pflegekraft in einer Familie, wo sie nun für eine alte Frau sorgen muss. Sie gibt mir ihre Handynummer und verspricht zu erzählen, wie es mit ihr weiter geht.

 

 

 

Die kreative Mehrheit der Weltbevölkerung.

Geschichte 2

 

Beide schaden sich selbst: der, der zu viel verspricht und der, der zu viel erwartet.
Gotthold Ephraim Lessing.

 

 

 

Oh ja, sehr zutreffend. Meistens sind es Frauen, die zu viel erwarten und meistens sind hier auch die Männer involviert. Vielleicht brauchen wir, Frauen, diese (etnt)täuschende Erwartungshaltung. Zum Beispiel, dass frau wieder ihre Jugend durch Diäten und entsprechende Kleidung erlangt und so wieder für den Mann attraktiv wird. Warum schreibe ich das? In unserer Kleinstadt sieht man immer wieder eine Frau, sie ist schon so gut wie prominent. Man spricht über sie, man guckt ihr hinterher, kurzum, sie kann man nicht übersehen. Weil sie in dieses kleinstädtische Bild nicht passt. Hier, wo die meisten Frauen wie Männer aussehen (immer Hosen, uniformähnliche Jacken aus den DDR-Zeiten) und im nichtsaussagenden Rentneralter oder wenn sie schlank und jung sind, dann mit den gleichen Matrjoschka- oder Lorelei -Frisuren, hier trägt diese einzigartige Frau Pelze, hat langes blondes Haar. Sie ist nicht jung, aber ihr Aussehen ist auf jung aus, auf Pariser Chick der 90-er Jahre. In der warmen Jahreszeit trägt sie entweder alles in Rosa oder in Weiß. Ihre im Rücken wallende Haare sind ihr Markenzeichen. Letzen Frühling habe ich sie, mit einer Trinkflasche in der Hand, im weißen Tennislook und mit einem Schweißband um die Stirn, durch die Altstadt trabend gesehen. Ich selbst hechelte um die Ecke mit dem Fahrrad den Berg hoch, als ich sie unter den lustigen Senioren an der Sparkasse entdeckte. Aber was mich fast vom Sattel gerissen hätte, war ein Mann um die 60, der mir im Weg war und sich nach dieser Frau umdrehte, sein Mund stand offen, das Gesicht hatte einen Eindruck, als ob er seinen Augen nicht trauen kann. Ja, unglaublich, wie eine einfache, nicht mehr junge Frau, einem gestandenen, fast schon gegärbten Mann, den Kopf verdrehen kann!

 

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